Einführung «Der Schatz am Silbersee». Irmin Kamp – ein Porträt von Helga Meister
Irmin Kamp wurde am 21. Dezember 1940 im niedersächsischen Delmenhorst bei Bremen geboren. In wenigen Monaten kehrt sie dorthin zurück. Damit schließt sich der Kreis. Dazwischen liegt eine turbulente Zeit. 34 Jahre lang, von 1974 bis jetzt, leitete sie als Professorin für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf eine der spannendsten Klassen und lenkte immer wieder bei den Rundgängen die Blicke auf ihren künstlerischen Nachwuchs. Als Direktorin kämpfte sie von 1982 bis 1987 mit dem Wissenschaftsministerium für und wider das Kunsthochschul-Gesetz. Ihr Nachfolger und Rektor, wie sich die Position heute nennt, wurde Markus Lüpertz.
Sie erhielt 1987 zwei Forschungs-Semester und verschwand nach Tobago, ihrer zweiten Heimat, erholte sich in der Natur und sammelte neue Kräfte. Die Auseinandersetzung mit allem Natürlichem, den Steinen, den Pflanzen, der Landschaft gehört zu ihren wichtigsten Impulsen für das eigene Werk. Das wird nun am Silbersee bei Moers besonders deutlich, bei der ersten Retrospektive ihrer Skulpturen.
Als sie 1988 gestärkt an die Kunstakademie zurückkehrte, brachte sie eine Palme aus der Karibik mit, als Negativform. Eine verrückte Idee damals. Es handelte sich um kein Ready made, kein Fake und kein Falsifikat, eher schon um ein Spiel zwischen exotischer Schöpfung und europäischem, architektonischem Umfeld. Die Arbeit war von der Überlegung getragen, etwas Typisches aus dem einen Kulturkreis in den anderen zu verpflanzen. Die Diskussion zu Themen wie Kunst am Bau, Kunst in der Fußgängerzone, Kunst in der urbanen Umgebung, Kunst im Hofgarten bestimmte seit Ende der 70er Jahre die Debatte in Düsseldorf, an der sich Irmin Kamp lebhaft beteiligte. 1988 feierte Düsseldorf sein 700-jähriges Bestehen als Stadt mit einem Kunstparcours. Dafür war die Palme gedacht.
Irmin Kamp brachte aber auch ein Stückchen Seife mit, wie man es in Tobago im Haushalt benutzt. Es enthielt ein typisches Blau, das nur bedingt an die Farbe des Himmels erinnert, weil es künstlicher wirkt. Sie formte ihren Palmen-Stamm sieben Mal ab, mit all den Jahresringen, die auf das Leben der Pflanze verweisen. Dann mischte sie dem Polyester das blaue Tobago-Pigment bei, denn die Farbe sollte nicht abplatzen, sondern Teil der Skulptur werden. Schließlich machte Kurt Räder, damals Werkstattleiter für Kunststoff an der Düsseldorfer Akademie, die sieben Abgüsse in Blau.
Sie standen in Düsseldorf hinter der Kunstsammlung, parallel zu einer Häuserwand, fünf auf einer Spiegelfläche, zwei auf dem Boden davor, als ob sie sich optisch fortsetzten. Der erste Stamm war höher als der nächste. In den Spiegeln reflektierten die blauen Stämme, der bläuliche Himmel und die graue Beton-Umgebung. Davor lag der große schwarze, abgeformte Panzer einer Schildkröte, der der Installation den Titel gab: „Black Turtle“. Zwei weitere, aber blaue Schildkröten- Panzer fanden in der Namensgebung keine Erwähnung.
Nun feiert die Arbeit am Silbersee in Moers ihre Auferstehung, liebevoll restauriert, neu verankert vor einer frisch gestrichenen Häuserwand als architektonischem Hintergrund. Wieder hat sie eine kleine, grüne Anhöhe, deren Gras noch wachsen muss, und ein Fundament mit Spiegelplatten. Doch die Situation ist präziser gewählt. Die Arbeit muss sich nicht mehr wehren und keinen Vandalismus ertragen. Das Gebäude im Hintergrund gibt mit seinen fast schon seriellen Fenstern einen schönen Gegensatz zur naturnahen Form. Die Kunst ist gepflegt, die Stämme sind gereinigt und mit Steinwachs poliert. Sie wirken wie neu geboren und brechen das Licht auf wunderbare Weise. Alles ist
wie selbstverständlich in die Natur eingebettet, fast schon implantiert. Dennoch behaupten die blauen Stämme ihre Eigenart, demonstrieren im rheinisch-graublauen Himmel ihr eigenes Karibik-Blau, dem etwas transparente Farbe beigemischt ist.
Auch die Spiegel machen an ihrem neuen, idealen Standort deutlich, worum es Irmin Kamp geht: die Mischung karibischer und hiesiger Elemente. Es ist der Versuch, die Umgebung in die künstlerische Arbeit zu bringen, das eine mit dem anderen zu verknüpfen. Parallel zu den Vorbereitungen für diese Werkgruppe entstanden Doppelbelichtungen, die auf einem Foto zwei Motive vereinen, eines aus Tobago und eines aus Düsseldorf.
„Kunst parallel zur Natur“ war für Karl Heinrich Müller das Motto der Museum Insel Hombroich. Damit kann sich das Projekt von Angelika Petri und Frank Merks auf dem ehemaligen Gelände der Dujardin-Fabrik am Silberseeweg in Moers natürlich nur sehr bedingt messen, und doch fühlt sich der Besucher daran erinnert, wenn er von Irmin Kamps vier Bäumen gleich hinter dem Eingang begrüßt wird. Diese „Trees“ von 1970 sind wahre Lichtreflektoren. Ihr Lackglanz setzt sich gegen jedes Blatt und Gras zur Wehr. Die knatschgrünen Objekte trumpfen im Vergleich zum Filigran der Birken mit den feingliedrigen Ästen und Baumkronen tüchtig auf, sie sind bestimmend. Sie behaupten sich als eigenwillige, fast poppige Landschaftsarchitektur in der Umgebung.
Mit dem Minimalismus, der Grundstrukturen reflektiert, haben sie wenig zu tun. Irmin Kamp sagt denn auch, sie sei von der Minimal Art nicht beeinflusst.
Es war 1969, als sie ihr Studium an der St. Martins School of Art bei Lehrern wie Anthony Caro und Philip King beendet hatte und sich wieder in Delmenhorst bei Bremen befand. Da kam ihr der Gedanke an die Kunstbäume. „Ich wollte einen Baum machen, der in allen Entscheidungen, die ich treffe, gegensätzlich zum wirklichen Baum ist.“ Sie dachte an eine Silhouette, wie ein Kind sie zeichnet, ganz einfach, nur Stamm und Krone.
Sie kaufte sich eine halbe Plexiglas-Kugel, wie man sie damals für Dachluken benutzte, und ein halbes Rohr, zwei profane Gegenstände also. Sie legte die Teile im Atelier aneinander, verband sie mit Gips, nahm die Negativform ab und goss sie acht Mal ab, um die Elemente anschließend zu vier Körpern zu verschrauben. Das Material ist Polyester und sind Glasmatten. Hinterher wurde alles mit grünem Kunstharzlack gespritzt und in autonome Körper verwandelt.
Das ist es nun, das unnatürliche, glänzende Grün, die geometrische Form, die strenge Reihung, die mit der natürlichen Birken-Reihe der Umgebung konkurriert. Irmin Kamp betrachtet nicht ohne Stolz die vier seriellen Exemplare, doch sie wäre die letzte, die ihr Werk preisen würde. Stattdessen macht sie im Gespräch darauf aufmerksam, dass die Schrauben dazu dienen, die jeweiligen Teile zusammenzuhalten. Als praktisch begabte Frau fügt sie hinzu: „Die Bäume könnten auch wieder aufgeschraubt werden.“ So einfach sind die Dinge, so unprätentiös und selbstverständlich wie die Umsetzung einer Kinderzeichnung ins Dreidimensionale.
Hinter den „Trees“ hier am Silbersee liegen sechs grün-schwarz gestreifte „Stones“ (Steine) fast versteckt. Direkt nach England sind sie 1965 entstanden. Sie wirken komisch, humorig, verschroben. Sie habe an „Hünengräber“ gedacht, sagt Irmin Kamp, an steinzeitliche Findlinge also, wie sie in Holstein und im Emsland geläufig sind. Es ist wichtig, die Herstellung zu kennen, um die Formen zu begreifen. Die Künstlerin hat sie aus biegsamen Pappen hergestellt. Dazu erzählt sie von ihren Anfängen: „Ich habe vor meinem Studium eine Dekorationslehre abgeschlossen. Meine Mutter hat das verlangt, damit ich abgesichert bin, wenn ich Kunst mache. Ich habe viel dabei gelernt, vor allem das Arbeiten.“ Sie hat eine Pappeform gebaut, innen mit Polyester ausgegossen und dann die Pappen abgenommen.
Irmin Kamp ist eine patente Frau, ihre Stärke liegt im praktischen Denken, das sie als Botschaft an ihre Klasse weiter gab: Die Studenten mussten sich zunächst über das Wie und das Woraus, die Art der Produktion und die Materialien klar sein, bevor sie mit der Ausführung ihrer Vorstellungen beginnen durften. Irmin Kamp hielt nichts von einer genialischen Attitüde. Sie sagt denn auch: „Am liebsten nahm ich solche Studenten in meine Klasse auf, die eine handwerkliche Lehre hinter sich hatten.“
Nach den „Trees“ kehrte Irmin Kamp 1973 mit den 16-teiligen „Wellen“ in Türkis zur seriellen, abstrakten Form zurück. Der Ausgangspunkt ist eine kleine Zeichnung auf einer Waschmittel-Packung mit einem bloßen Wellen-Profil. Auch die Idee zu den „Flammen“ (1970) kam am Schreibtisch, diesmal bei einer eigenen, spontanen Zeichnung. In beiden Fällen entstanden anschließend Modelle und dann die endgültigen Formen. Eine Zeichnung als eigenständige Arbeit gibt es nicht. „Ich habe nie richtig gezeichnet. Es waren große Konzeptbögen, die ich beschriftete. Oder ich habe nur gekritzelt, was nur ich entziffern konnte.“ Irmin Kamp betont damit unbewusst, dass sie sich ausschließlich als Bildhauerin betrachtet. Die logische Folgerung davon ist jener „Bogen“ (1977), für den sie noch nicht einmal eine eigene Skizze, sondern gleich eine Zeichnung des Kollegen Fritz Schwegler nahm und umsetzte. „Ich habe bei ihm im Atelier in der Akademie gesessen, und beim Gehen ist mir die Zeichnung aufgefallen. Und ich habe gesagt: ‚Fritz, kann ich die haben, um eine Plastik daraus zu machen?‘ Er hat okay gesagt.“
„Erst kommt die Idee, und dann merkt man, was man macht“, pflegt Irmin Kamp zu betonen. Für die „Flammen“ machte sie nach der eher abstrakten Zeichnung ein kleines Modell aus Pappe, vergrößerte es in dicker Pappe und ließ es in Polyester ausgießen. Anschließend wurde der Kunststoff schwarz und gelb bestrichen, zur Identifizierung des Objekts, als Metapher für die Flammen. Ein künstliches Feuer für die Feuerstelle in der Wohnung gleichsam. Die Idee ist abstrakt geboren, das Ergebnis ist ein dreidimensionales, klares, reales, die Wirklichkeit zitierendes Bild. Das selbstverständliche Objekt verleugnet dennoch nicht seinen phantastischen Ausgangspunkt.
28 kleine, bescheidene, fast schon niedliche Gewächshäuser entstanden 1978, in einer Zeit also, als der professionelle Gartenbau noch in den Kinderschuhen steckte. Irmin Kamp sah die Originale unter der Südbrücke am Rhein in Düsseldorf, machte Fotos und wollte es ursprünglich dabei bewenden belassen. Doch dann „übersetzte“ sie die Aufnahmen ins Gewachsene. Das heißt: Sie baute einen Kern aus biegbarer Pappe und begoss ihn mit zerstückelten Glasmatten und mit Laminierharz. Anschließend entfernte sie den Karton. Die Konstruktion ist nicht streng mit dem Lineal geschaffen, die Häuser wirken windschief, leicht gekrümmt, beinahe unvollkommen und ärmlich. Die Streben sind denn auch nicht aus Eisen, sondern es sind echte Zweige, die bloß auf die zunächst noch feuchte Masse gelegt sind.
„Für die Natur wollte ich keine originalen Gewächshäuser wiederholen, sondern etwas Organisches machen“, sagt sie. Nun ducken sich die Objekte fast in die Wiese. Das Gläserne, Durchsichtige und Durchlässige ist dem stumpfen, leicht schmuddeligen Graubraun des alternden Polyesters gewichen. Merkwürdig nostalgisch reihen sie sich aneinander, als müssten sie sich gegenseitig Halt geben. Ursprünglich sollten sie im Braunkohle-Gebiet bei Grevenbroich stehen, „in der typischen, melancholischen Stimmung des Niederrheins, am besten im Nebel“, wie sie sagt.
„Erinnerungen an“, „Reflections on“, nannte sie 1965 eine Arbeit. Das möchte man als Motto über ihr gesamtes Werk nehmen. Es gilt vor allem für die „Zwiebeltürme“, die 1971 auf einer Wiese standen und nun wie Bojen auf dem Silbersee aufsitzen und mit 90 Kilogramm Manövriermasse beschwert sind, damit sie nicht davon tänzeln. Man kennt sie, meint sie schon gesehen zu haben. Und dennoch sind sie völlig neu. Die fünf von ursprünglich sechs Exemplaren standen einst zur Kieler Woche an der Förde, hielten es einen Sommer lang im Kant- Park am Wilhelm-Lehmbruck-Museum aus (wo ein Exemplar zerstört wurde) und wirken nun wie Eye-Catcher am See. Mit weißem, halbmattem Bootslack neu bestrichen, stehen sie im Wasser, schwanken im Wind und scheinen wie selbstverständlich mit sich selbst beschäftigt zu sein.
„Ich habe mir die Form vorgestellt“, sagt Irmin Kamp mit jener Absolutheit, als gebe es da gar keine Fragen. „Ein Zwiebelturm ist eine bekannte Form, die gibt es ja. Ich habe sie mir im Kopf als Gruppe und in Weiß vorgestellt, in derselben Größe und derselben Konstruktion.“ Sie habe arabische Länder besucht und sei auch in Moskau gewesen. Aber die Form sei dann doch im Unterbewusstsein entstanden. Ein typischer Vorgang zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein. Klare Grenzen gibt es da nicht.
Die Realisierung muss jedoch stimmen. Jedes Werk wird in vielen kleinen Schritten vorbereitet. Sie fertigte in diesem Fall ein halbes Gips-Positiv an, goss es zweimal ab und fügte die jeweiligen Hälften anschließend zu einer Zwiebelturm-Form. Das Serielle biete sich bei Polyester an, sagt sie. Die Arbeiten entstanden allesamt in der Werkstatt der Düsseldorfer Kunstakademie, und Werkstattleiter Kurt Räder gab ihr Tipps für die spätere Verankerung. Die Formen hatten ursprünglich ein Kreuz im Innern und wurden verschraubt, um im Boden zu stehen. Jetzt entwickelte der Herr vom Silbersee, Frank Merks, sein eigenes Patent für das schwankende Wasser.
Für die „Quadriennale“ 2006 in Düsseldorf wurden die sieben „Schwarzen Pilze“, „Black Mushrooms“, wieder hergestellt. Sie waren 1974 in der Werkstatt in Grevenbroich entstanden. Irmin Kamp berichtet über ihren Bildgedanken: „Ich stand in meiner Küche, die war hoch, Altbau. Und da dachte ich: Ich möchte irgendetwas an der Decke machen, was bis nach unten auf den Boden geht. Ursprünglich habe ich an einen großen Raum gedacht, wo die Pilze an der Decke hängen könnten.“ Es ist gut, dass das nicht möglich war. 2006 wurde die siebenteilige Arbeit in frischem, schwarzem Lack vor dem pseudo-antiken Tempel des Markus Lüpertz im Ehrenhof aufgestellt. Man konnte durch sie hindurchgehen. Die Pilze wirken wie nach oben hin abgeschnitten, wodurch sie klar konstruiert erscheinen. Sie strahlen im Sonnenlicht, sind abstoßend und anziehend zugleich. Und sie besitzen eine gewisse Grazie, die nun auch in den Zwiebeltürmen wieder erwacht ist. In ihrer neuen Umgebung unter dem großen Nussbaum halten sie ihre blättrigen, hutförmigen Schalen den Früchten entgegen, als wollten sie sie auffangen. Da die Schalen jedoch geschlossen sind, würden die Nüsse abprallen. So spiegeln sie sie nur. Und wenn wir als Besucher in die Gruppe eintreten, gehen wir gleichfalls im leicht tänzelnden Kunstwerk auf.
Zwischen dem Hybriden und dem Überkommenen, zwischen dem Natürlichen und dem Konstruierten, dem Erfundenen und Gefundenen, dem Bild, dem Abbild und dem Sinnbild ist da kein Unterschied. Die „Kunst parallel zur Natur“ war immer schon da, aber auch das Fake, der abgenommene und doch so falsche, weil wunderbar blaue Bambus-Stamm und die aggressiven Zwiebeln und die unendlichen Wasserwellen. Ja selbst in dem allerersten Konstrukt eines Seeigels von 1964 unter dem fast schon tänzelnden Titel „Moderato Andante“ kommt diese merkwürdige Parallelität zwischen Fantasie und Fachbuch, Absurdität und strenger Konstruktion zu Tage. Zu „Moderato Andante“ sagt Irmin Kamp beinahe fachmännisch: „Da ist zu sehen, wie ein Seeigel sich fortbewegt. Da pumpt sich die Luft aus dem Körper, das Bein wird länger, und damit bewegt er sich. Und wenn er sich nicht bewegt, ist die Blase größer.“ Ein bisschen kafkaesk wirkt die Erklärung, aber zugleich in sich logisch. Und dann kommt einer jener Sätze, die von der Bescheidenheit dieser großen Frau künden: „Ich war viel an der Nordsee. Mich zieht es noch immer dahin.“ Sie kehrt nach Bremen zurück. Ihr Werk aber gibt sie in die Obhut von „Seewerk“, wie sich das gemeinnützige Unternehmen auf dem Privatgelände der Klostermann GmbH nennt.
Doch vor dem endgültigen Abschied kehrt die einstige Energie noch einmal zurück. Nach über 30 Jahren steuert sie zwei (fast) neue Arbeiten bei. „Black rock, Tobago“ ist nach einem Felsen am Meer von Tobago benannt. Die 3,8 Meter hohe Form stammt von 1990, die beiden schwarzen Reliefs sind 2008 gegossen. Sand wird aufgeschüttet, die Spiegel hinter den „Felsen“ leicht verschoben.
Die zweite Arbeit, ein 9,4 Meter hoher Palmenstamm, schlägt den Bogen zu den Anfängen in Düsseldorf. Es handelt sich um „Große Silberne, Hommage à Kricke“. Norbert Kricke, der Bildhauer dynamischer Werke, war ihr Vorgänger als Direktor der Kunstakademie und ihr Mentor, der sie 1974 als junge Professorin an die Kunstakademie Düsseldorf holte. „Norbert Kricke war der wichtigste Mensch in meinem Leben“, sagt sie.
Die originale Palme hatte sie lange am Strand von Tobago beobachtet, bis sie eines Tages umfiel. Da ließ sie den Stamm mit fünf Hilfskräften in eine Werkstatt bringen und abformen. In drei Teilen kam er 1990 im Containerschiff nach Deutschland, zusammen mit Felsen- und Schildkröten-Abgüssen. Die Arbeit verschwand in der Scheune bei Grevenbroich, wo sie erst jetzt beim Aufräumen auftauchte. Vor wenigen Wochen wurde sie abgegossen, wobei Irmin Kamp ins Polyster Glitzer-Pigmente einrührte. Das Ganze wurde anschließend mit Klarlack bestrichen. Die Installation mitten im Park am Silbersee entstand als Reaktion auf die Umgebung. Der hohe, schlanke Abguss wird von einem lebenden Baum gehalten, dessen Baumkrone zugleich das Blätterdach der Kunst-Form bildet.
„Plastiken am Silbersee“ nennt Irmin Kamp ihre Ausstellung. Man könnte auch von einem „Schatz im Silbersee“ sprechen, dem Klassiker der Abenteuer- und Jugendliteratur von Karl May. Wie immer in spannenden Geschichten gibt es auch hier einige Ungereimtheiten und dunkle Stellen. Dazu gehören drei Installationen von 1974, die erst jetzt in ihrer neuen Umgebung ihre ganze Pracht und ihre subversive Kraft entfalten. Sieben schwarze Zwiebeln, „Onions“, ragen seltsam normal und merkwürdig aggressiv aus dem Gras hervor. „Black Turtle“ gehören dazu sowie eine dritte, völlig unbekannte Installation von 1974, die die Zeiten überlebt hat: „Rübenmieten, Barrenstein“. Wie gestrandete Robben liegen die Körper eigenartig tierisch im Gras. Der Titel erklärt sich aus dem ursprünglichen Standort. Irmin Kamp erinnert sich an die alten Zeiten: „In Barrenstein bei Grevenbroich wurden jede Menge Zuckerrüben angebaut. Wenn alles abgeerntet war, packten die Bauern den Rest, also das Kraut, auf Hügel und stachen es ab. Das Kraut diente als Dünger oder Viehfutter. Es wurde je nach Bedarf gerade abgeschnitten. Das Kraut lag auf dem Feld, im Nebel, im Niederrhein. So kam mir die Idee.“ Wieder ist es die Landschaft, die inspirierend wirkt. Die drei liegenden Objekte haben Farben, die an einen feuchten Matsch erinnern. Ausnahmsweise färbte Irmin Kamp nicht nur das Polyester ein, sondern bemalte auch die Körper, um ihnen eine Struktur zu geben.
Nun erleben 15 Arbeiten am Silbersee in Moers ihr Come Back. Nach all den Beinahe-Katastrophen, den Zerstörungen, dem Desinteresse und dem Vergessen wirkt das, was hier geschieht, fast wie ein Wunder. Ein neuer Schatz am und im Silbersee. Die Grundstücksinhaber Angelika Petri und Frank Merks sind die Initiatoren dieses Wunders. Ohne ihre Neugier, ihre Hilfe, ihre Restaurierungskünste, ihre Unterstützung hätte Irmin Kamp womöglich den Reißwolf bedient. So aber kann die Öffentlichkeit kommen, schauen und staunen.